Man kann sich die Methode der Randelemente als eine Mischung aus dem Drehwinkelverfahren und Einflussfunktionen vorstellen.
Bei der Berechnung eines Durchlaufträgers mit dem Drehwinkelverfahren werden erst alle Knoten festgehalten und dann die Knoten einzeln gelöst und ausgeglichen.
Am Ende des Ausgleichs kennt man die Verdrehungen der Knoten, das Tragwerk ist, wie man sagt, geometrisch bestimmt.
Einem solchen Knotenausgleich folgt dann noch ein zweiter Schritt, bei dem nun die Schnittkräfte zwischen den Knoten berechnet werden.
Dabei können aber die einzelnen Felder abschnittsweise wie ein fest eingespannter Balken behandelt werden, was die Berechnung sehr vereinfacht.
Wenn man also weiß, wie sich die Knoten eines Durchlaufträgers verdrehen, dann kann man die Querkräfte und Momente in dem Durchlaufträger berechnen.
Übertragen auf Platten heißt das: wenn man weiß, wie sich die Ränder einer Platte verdrehen und durchbiegen, dann kann man die Schnittgrößen im Innern der Platte berechnen.
So geht die Methode der Randelemente vor.
Der Rand der Platte wird in Randelemente unterteilt, um die Randverformungen (= Funktionen) mit Polygonzügen darstellen zu können.
Dann wird, wie beim Drehwinkelverfahren, ein Knotenausgleich durchgeführt, der allerdings in einem Schritt geschieht.
Im zweiten Schritt werden dann mit Hilfe von Einflussfunktionen aus den Verformungen der Ränder die Schnittgrößen im Innern der Platte berechnet.
Anmerkung: Das eigentliche Wunder des Drehwinkelverfahrens ist, dass man ein System von eindimensionalen Objekten (mathematisch Linien, n = 1), Riegel und Stiele,
von den Knoten (n = 0) her kontrollieren kann.
Die Methode der Randelemente ist nur die Erweiterung dieser Logik auf Flächentragwerke.
Um eine Fläche (n = 2) zu kontrollieren, reichen die Informationen längs des Randes (n = 1) aus. Oder noch eine Dimension höher:
Um die Spannungen im Innern einer Staumauer (n = 3) zu berechnen reicht es aus, die Oberfläche der Staumauer (n = 2) in kleine Rechtecke,
Randelemente, zu unterteilen, und einen Knotenausgleich auf der Oberfläche durchzuführen. Mit Einflussfunktionen
kann man dann die Spannungen in jedem Punkt im Innern aus den Randwerten berechnen.
Die einfachste Anwendung findet diese Idee im Lineal. Eine Gerade (mathematisch die Lösung der Differentialgleichung u'' = 0) ist durch ihre beiden Endpunkte
eindeutig bestimmt und so kann man den Verlauf der Geraden zwischen den beiden Endpunkten einfach
skizzieren, indem man ein Lineal (= Einflussfunktion) an die beiden Endpunkte anlegt.
Der äußere Rand und die inneren Ränder (Wände) werden in Randelemente unterteilt, damit man die Randwerte und Stützkräfte mit Polygonzügen darstellen kann.
Was beim Durchlaufträger die Knoten sind, sind bei Platten Linien. Die Randelemente haben keine statische Bedeutung, sondern es sind kurze Geradenstücke längs derer die Funktionen stückweise linear, quadratisch oder kubisch (je nach
Ansatz) verlaufen.
Dasselbe Prinzip gilt bei der Scheibe. Die Werte auf den Randkurven bestimmen den Spannungszustand im Innern. Die Diskretisierung des Randes reicht aus.